Hast Du noch Töne?

Filter

In einer Umfrage zu den wichtigsten Modulen wären Filter zweifellos weit oben in der Rangliste platziert. Ihr Einfluss auf die Wirkung einer Komposition ist sehr gross. Mit ihrer Hilfe können Frequenzen vermindert oder verstärkt werden, was Klänge drastisch verändert. Filter funktionieren, vereinfacht gesagt, wie ein Sieb.

Was ist denn los? Da kommt kein Ton aus meinem Synthesizer. In der Band geht die Post ab. Alle wippen im Takt. Die Leute tanzen. Ich schraube, schiebe, drücke, drehe das Volumen voll auf, nichts. Dann bemerke ich, dass der Cutoff ganz geschlossen ist. Anfängerfehler Nummer eins. Der Cutoff-Regler am Filter bestimmt, welche Klänge das Sieb passieren dürfen.

Geschockt drehe ich den Cutoff im Uhrzeigersinn rasch bis an den Anschlag. Mein Synthesizer heult auf, die Lautstärke ist ja immer noch auf dem Maximum. Erstaunte Blicke, rote Ohren, Anfängerfehler Nummer zwei. Und dies beim ersten Auftritt als neues Bandmitglied. Niemand muss mich noch überzeugen, dass Filter zu den mächtigsten Werkzeugen in der Synthese gehören.

Multitasking
Siebe können verschiedene Zwecke erfüllen. Mal halten sie die Teigwaren im Sieb zurück, mal reinigen sie den Sand. Die allermeisten Filtermodule können entweder tiefe Frequenzen (Low-Pass-Filter) oder hohe Frequenzen (High-Pass-Filter) durch das «Sieb» lassen. Die eine Funktion macht Klänge warm und weich, was ideal für Bässe ist. Die andere Funktion macht Klänge heller, luftiger oder präziser. Gefiltert werden übrigens sogenannte Obertöne, also die Töne, die mit einem Klang noch mitschwingen. Gut wahrnehmbar sind Obertöne bei Saiteninstrumenten.

Damit nicht genug. Die Band-Pass-Filter können bestimmte Frequenzbereiche herausfiltern oder verstärken. Sie entfernen tiefe und hohe Frequenzen. Notch-Filter andererseits schneiden eine Kerbe heraus, entfernen also nur eine bestimmte Bandbreite der Frequenz. Sie eliminieren unerwünschte Frequenzen, der Wunschtraum Tinitus geplagter Menschen.

Schnittstelle
Zurück zum bereits angesprochenen Cutoff. Das ist die Stelle, wo das Frequenzband geschnitten wird und entweder die tiefen oder die hohen Töne wegfallen. Mit dem Cutoff-Regler kann die Schnittstelle auf dem Band der verschiedenen Tonhöhen von ganz links, wo sich die tiefen Töne befinden, nach ganz rechts zu den hohen Tönen verschoben werden. Dort hat das Sieb die grössten Löcher, sofern der Low-Pass-Filter verwendet wird. Alle Töne schwingen ungefiltert weiter bis zum Verstärker bzw. Lautsprecher. Der Schnitt durchs Frequenzband kann mehr oder weniger schräg sein, was aber wiederum eine Wissenschaft für sich ist und hier nicht weiter vertieft werden soll.

Resonanz
Neben dem Cutoff-Regler haben Filter meist auch noch einen Resonanz-Regler. Damit können die Frequenzen bei der Schnittstelle verstärkt werden. Das schärft den Klang und führt bei hohen Werten zu einem Pfeifen. Damit lässt sich spielen, und zwar so weit, dass der Filter wie ein Oszillator zu schwingen beginnt und als eigene Tonquelle verwendet werden kann. Unten zur Illustration ein mit VCV-Rack erstellter Patch.

Meinungsfreiheit
Die Versuchung ist gross, Filter angesichts der unerwarteten politischen Entwicklungen als Metapher für die Zensur unliebsamer Meinungen zu verwenden. Auch in Ländern, wo scheinbar die Meinungsfreiheit bisher ein zentrales Element der Grundregeln und der Identität darstellte, sollen Menschen nun zum Verstummen gebracht werden. Es ist bereits so weit, dass auf den offiziellen Websites der Regierung Worte verboten werden. Von einem Tag auf den anderen werden finanzielle Mittel für Bildungseinrichtungen gestrichen. Wissenschaftliches Arbeiten und Lernen wird eingeschränkt. Die Schnittstellen sind brutal scharf. Resonanz wird mit noch mehr Druck sofort unterdrückt.

Nein, Filter-Module haben es nicht verdient, als Metapher für diese Politik zu dienen. Sie helfen uns, Klänge zu gestalten. Damit Töne vollständig auszublenden, ist wie oben erwähnt ein Anfängerfehler.